Thomas W. Aichele

Lebenslauf herr_aichele.jpg

Geboren 1960 in Hamburg (D). Ausgewandert 1966. In die Schweiz. Kanton Baselland. Binningen. Reinach. Schulkarriere.
Ausbildung in Liestal zum Primarlehrer. Reiseleiter von 1985 – 1989.
Vorallem Osteuropa. Diverse Jobs in und um Basel.
Zurück in den Schuldienst. 1991 erstes eigenes Atelier im Schlotterbeck-Gebäude. 1995 Umzug des Ateliers nach Hegenheim.
2002 Eheschliessung. Mehrere Aufenthalte in Borneo und Bali.
2010 Trennung und Auflösung der Ehe.
Seit 1980 intensive Phasen in der Malerei.

Ausstellungen

1986 Weihnachtsaustellung Kunsthalle, Basel
1989 Jahresausstellung der Basler Künstler und Künstlerinnen
1990 Einzelausstellung in der Galerie 90, Basel
1991 Jahresausstellung des Baselland. Kunstkredites
1992 Atelierausstellung Schlotterbeck, Basel
1992 Jahresausstellung der Basler Künstler und Künstlerinnen
1992 Einzelausstellung in der Galerie Davidseck, Basel
1995 Gruppenausstellung in der Galerie A. David, Knokke (BE)
1996 Atelierausstellung in Hegenheim (F)
1999 Atelierausstellung in Hegenheim (F)
2001 Einzelausstellung Dropa, Dornach
2003 Einzelausstellung Galerie „Die Aussteller“, Basel
2004 Einzelausstellung „Zum Isaak“, Basel
2005 Einzelausstellung „Ajilon“, Basel
2006 Gruppenausstellung „Ajilon“, Basel mit Manuela Covini und Gunnar Kristinsson
2007 Einzelausstellung „hohlraum11“, Basel
2013Einzelausstellung "Kulturforum Laufen"

Ein Interview

Gespräch vom 14. Juni 2003 mit Thomas Aichele in der Galerie "Die Aussteller"

"Mit dem gartenschlauch in der hand, inmitten ihrer wiederkäuer, erscheint meine junge tante den nichtsahnenenden autofahrern –
sie meinen bei hellem tage zu träumen."
(h.c. artmann – "Unter der Bedeckung eines Hutes"

Welche Bedeutung hat dieser Text für Deine Bilder?

Der Schriftsteller h.c. artmann hat in den achtziger Jahren bei mir eine Revolution ausgelöst, eine Revolution des Denkens. Ich bin durch seine Texte in eine Welt hineingeraten, die sagt: das Reale, was um mich herum ist, kann mit ganz kleinen Spielen, mit Wortspielen, mittels kleiner Nuancen, mit Zusammenhängen die zuerst nicht sichtbar sind, eine ganz neue Wertigkeit bekommen. Artmann hat in seiner barocken, ironischen, wunderbar aufgeblasenen Sprache in mir etwas ausgelöst, das kurz zusammengefasst gesagt hat: Wort und Bild sind eine Einheit. Das Wort, das er mir durch seine Bücher zukommen liess, hat mir unheimlich viele Ideen gegeben, bezogen auf die Realität, die ich sehe, und die ich gleichzeitig ganz und gar nicht sehe. Die Wiederkäuer h.c. artmanns, die ich beobachte, wenn ich irgendwo vorbeifahre, und die junge Frau mit dem Wasserschlauch: das ist nicht real – und doch ist es unglaublich real...gegenwärtig?? ... es ist ein neuer Zusammenhang vom Realen, der ein neues Bild erschaffen hat. Seine Texte haben mich so richtig gefreut, das Wilde, Lustvolle am Malen geweckt. Das war in den achtziger Jahren. Ich habe mich in dieser Zeit vor allem mit dem Wort beschäftigt, habe selbst viel geschrieben, im Eigenverlag Gedichte herausgegeben, und ich merkte, dass das Wort in mir einen solchen Drang ausgelöst hat, dies umzusetzen, dass ich zu h.c. artmann gekommen bin und von h.c. artmann zu meinen Bildern.

Wie wurde das zu Farbe und Form?frau_strumpf.jpg

Das kann ich anhand des Bildes „Frau Strumpf blickt ängstlich dem Hund entgegen“ (199x) erklären. Frau Strumpf ist, auf den ersten Blick, eine ängstlich blickende Frau, mit vorgebeugter Hüfte. Sie ist auf der Suche nach einem Schosshündchen, sie ist bereit, ihren Schoss hinzugeben für ein Hündchen, das sich in ihr, auf ihr wohlfühlen soll. Sie ist auf der Suche und wandert durch das gelbe Licht, und trifft plötzlich auf ein hundeähnliches Wesen, und dieses Wesen ist sehr unbeteiligt, ist es ein Löwe, ist es ein Hund, etwas Verstecktes, ist es nur eine Maske. Und auf einmal merkt Frau Strumpf: der Hund, den ich eigentlich will, ist mir viel zu gross, aber ich bin bereit – und deshalb hat sie diese Angst.

Angst, Aengstlichkeit ist ein Lebensbegleiter. Wie kann man ihr begegnen? Mit Ironie, mit Abwendung, mit Flucht. Flucht wollte ich eigentlich nie. Das Aengstliche, das man in meinen Bildern finden kann – vor allem im Ausdruck von Augen – ist da, soll man betrachten können, aber sie lässt sich mit einem leichten Knick ihre brutale Härte nehmen, indem ich z.B. der Angst einen Namen gebe wie Frau Strumpf, ich wandle die Realität um in etwas Leichteres. Es entsteht ein transparentes Bild, und die Situation könnte sich auch umdrehen, d.h. es könnte ja auch der Hund Angst haben vor Frau Strumpf und dem hervorgehobenen Schoss.

In diesem Bild (von 199x) kann man m.E. gleichzeitig Agressivität und etwas Kindlich-Fröhliches spüren?der-gute-onkel.jpg

Ich habe dieses Bild „Der gute Onkel in mir“ genannt. Dies ist ein etwas doppeldeutiger Begriff, der gute Onkel kann ja auch Gefahr bedeuten, Mann im Park etwa. Dies war aber nicht mein Hauptanliegen in diesem Bild, sondern das Liebe und Gute darzustellen, das aus dem Schwarzen herauskommt, denn unsere Seele hat ja auch unglaublich viel Dunkles in sich, aber das Dunkle soll nicht die Macht über das Helle bekommen. Das Kindliche, das Verspielte, wächst aus dem Dunkel heraus, das ist das Zentrale an diesem Bild. Beim Liebevollen erhält das Bild ein Gesicht, dort schaut uns das Liebe an, das aber in Distanz geht, darum sage ich auch nicht: das Gute in mir, sondern „Der gute Onkel in mir“.

Auffallend bei vielen Bildern sind die starken Aussenformen und Farbkontraste, denen filigrane Zeichnungen und subtile Innenformen gegenüberstehen

Da muss ich etwas ausholen und auf meine malerische Entwicklung zu sprechen kommen. Seit den frühen Achtzigerjahren bis heute hat sich meine Malerei sehr entwickelt von der Fläche, wo ich einzelne Farbflächen aneinandergereiht habe und diese abgegrenzt habe durch Konturen, bis zu den heutigen Bildern, die aus sehr vielen Schichten aufgebaut sind, und dann mit einem harten Gegenstand – Bleistift, Nadel etc. – Bilder aus diesen Schichten herausgekratzt sind. Das hat sich in meiner Entwicklung so „fortgepflanzt“, dass ich mit diesem feinen Strich in der groben Fläche etwas hervorbringen kann, etwas Feines, Beseeltes, Leichtes, das durch den feinen Strich akzentuiert wird. Es ist ein malerisches Mittel, das in meiner Hand liegt:: ich füge zuerst Schicht zu Schicht, aber ich muss dann etwas herausnehmen. Bis dieses Bild soweit war, sind Ewigkeiten vergangen, im Moment ist es fertig für mich, aber es kann sich vielleicht noch ändern. Und dann, fast am Schluss, ist der Punkt erreicht, dann komme ich und hole das Feine hervor, hole dies weg aus all den Schichten, diese Vielschichtigkeiten, in denen ich mich bewege im Leben.

Wie hat Dein Weg zur Malerei angefangen?

Wie gesagt, angefangen hat alles mit h.c. artmann. Er tauchte auf mit seinen Wortschöpfungen, die mich dermassen fasziniert haben, mich angeregt haben selbst zu schreiben, ich bin erst vom Schreiben zur Malerei gelangt, ich kam zu einem Punkt, wo ich gedacht habe, bei seinen Gedichten, Montagen, Sequenzen, Kurzgeschichten: da fehlt noch ein Bild, und aus h.c. artmann’s Wortbildern heraus hat es sich nahezu aufgedrängt, selbst anzufangen. Zuerst mit ganz kleinen Skizzen, dann entstanden die ersten Monotypien, und ich spürte: das ist es, ich bin eingestiegen, aufgesprungen auf einen Zug, den ich nicht mehr verlassen möchte. Ich habe mich in verschiedenen Kursen weitergebildet, ich hatte auch einen ausgezeichneten Lehrer am Gymnasium Münchenstein, Pierre Kocher, der mich gefördert hat, der mich bestärkt hat darin, dass hier etwas entstehe. Es war nicht Malerei aus einem Seelenzustand, ich wollte mich nicht wieder ins Lot bringen durch die Malerei, nichts Therapeutisches. Es war ein Sog, ein Drang, so sind die ersten Kritzeleien entstanden, die sich entwickelt haben, und ich habe dann bald meine Bilder auch gerne gezeigt, wollte sie öffentlich zugänglich machen.

Wie sieht für Dich der ideale Betrachter aus?

Er sollte das Bild zuerst betrachten und dann den Wunsch haben, mir einige Fragen zu stellen. Willst Du wissen, was mich interessiert, und willst Du mir dies auch sagen? Ein Betrachter mit Respekt. Mir ist egal, ob es absolute Kritik oder Belobigung ist:: wenn ein Mensch mein Bild schön findet und dreissig nicht, wenn ein Mensch mein Bild in Ruhe betrachtet und darüber reden kann, d.h. ja dass er sich Gedanken darüber gemacht hat, dann ist das ein gutes Gefühl für mich und ich fühle mich geehrt. (So wie Rolf der im Haus eines Freundes eines meiner Bilder gesehen hat und das Bild hat ihn offenbar so bewegt dass er in Kontakt gekommen ist mit mir so dass ich nun hier sitze)

In Deinem Lebenslauf steht „ausgewandert worden 1966“. Was bedeutet diese Formulierung?

Damals wurde ich als sechsjähriger Bub von Hamburg in die Schweiz gebracht. Ich wurde ausgewandert, denn welches Kind verlässt gerne seine Heimat. Infolge beruflicher Veränderungen meiner Mutter bin ich in die Schweiz gekommen und litt am anfang stark unter Heimatverlust. 1966 war es für einen kleinen deutschen Buben in der Schweiz knallhart, weil die Ressentiments gegenüber den Deutschen damals noch sehr stark waren, vorallem seitens der Eltern meiner Schulkollegen. Begriffe wie Naziknabe waren häufig und ich hatte einen schweren Stand. Ob das auf meine Malerei einen Einfluss hat, kann ich nicht sagen. Ich weiss nur, dass ich keine Zornesausbrüche hatte, sondern mich eher zurückgezogen habe, und mir gesagt habe, es gibt auch noch etwas anderes, du hast auch Stärken, du bist stolz, und je mehr ich angegriffen wurde, umso stolzer bin ich geworden. Auch heute noch spreche ich lieber Hochdeutsch, ich hatte immer zwei Welten: die Baseldeutsche mit meinem Stiefvater, und die Hochdeutsche mit meiner Mutter und meiner Schwester. Ich habe stets das Deutsche als eine wunderschöne, ausdrucksgewaltige Sprache empfunden. Hat das etwas mit meiner Malerei zu tun? Vielleicht in dem Sinn, dass ich mich behaupten muss, und die Malerei ist ein Mittel dazu, um zu sagen: ja, das kannst du, das ist gut so, da hast du deine Stärke, und die kannst du auch mit Stolz zeigen.

Wie ging es dann weiter?

Ich machte meinen Schulabschluss an der DMS in Münchenstein, anschliessend das Lehrerseminar. Ich komme aus einer Lehrerfamilie, mein Grossvater war Professor für Kirchenmusik in Stuttgart, ein Onkel war ebenfalls am Konservatorium, auch mein Vater war kurz auf diesem Sektor tätig, das Umfeld väterlicherseits hat mich in den Lehrberuf hineingebracht. Der Lehrberuf hat mir auch viel Freiheiten gegeben. Ich habe die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten und die Türe zum Atelier offen zu halten, wofür ich dankbar bin.

Die zeitliche Beanspruchung dürfte gleichwohl sehr gross sein?

Ich bin ein Maler, der sehr stark in grossen Schüben arbeitet. Ich hatte Phasen, in denen ich beinahe nichts gemalt habe, und dann kommt wieder dieser Sog, der Drang ins Atelier zum Bild, der dann so stark ist, dass ich dann lange mit viel Kraft und Konzentration arbeiten kann. Diese intensiven Phasen sind natürlich kräftezehrend, ich brauche dann Erholungsphasen, und male dann nicht im Atelier, sondern in meiner Gedankenwelt. Ich hatte aber nie das Gefühl, ich möchte die Malerei verlassen oder sie mich, und ich glaube, das geht so weiter bis an mein Lebensende.

Sind diese verschiedenen Arbeitsschübe auch als Schritte in der Bildentwicklung ablesbar?das-glas-es-bricht-im-augen.jpg

Meine ersten Arbeiten waren Bleistiftkritzeleien mit Gummi bearbeitet, suchend und unsicher, dann kamen die Flächen, minutiös, das merkt man an diesem Bild von 1986, entwickelt aus einer Bleistiftskizze, wo ich immer mit Konturen gearbeitet habe, immer mehr hat sich eine Linie aus der andern ergeben, das Grundmotiv waren drei Männer, drei Jazzmusiker, und ich habe mich in immer kleineren Details verfangen, und jetzt komme ich zurück zu möglichst einfachen Flächen, möglichst einfachen Strichen, die Flächen sind immer grösser geworden, die Farbgegensätze wurden geringer, und jeder Schub hat vom alten etwas mitgenommen, und hat etwas neues hinzugesetzt, auch jetzt ist es noch so. Im Bild „Das Glas es bricht im Augenlicht“ habe ich einzelne Motive, , das ein....? Gesicht das ... und die Augenformen, schon vor zwanzig Jahren ähnlich benutzt, aber damals hätte ich mich in Hunderte von Linien weiter verstrickt, und heute übernehme ich das in eine grosszügige Fläche, mit einer viel grösseren Sicherheit gehe ich an jede einzelne Linie, dafür lasse ich sie als einzelne Linie stehen und lasse sie nicht unterbrechen und zerstückeln.

Weitere Pläne?

Etwas möchte ich unbedingt noch umsetzen. Vor etwa drei Jahren habe ich einen Koffer mit alten Filmnegativen gefunden, die mein Urgrossonkel um 1906 in Kathmandu gemacht hat. Er war Reeder in Hamburg und konnte sich weite Reisen leisten. Ich habe eine Verwandtschaft entdeckt in der Wahl das Bildausschnittes, des Blickwinkels, ich hätte auf ähnliche Weise fotografiert. Es sind faszinierende Bilder, und ich möchte sie gerne auf Leinwände vergrössern und malerisch ergänzen, vielleicht auf einer separaten Schicht, mit Spuren aus meinem Leben. Ich bin in meinem Leben an einen Punkt gekommen, wo ich mir sage: Leben = Reise. Das wäre ein neues Projekt, das mich bereits beschäftigt. Dann interessiert mich im weiteren die digitale Filmaufnahme, anhand von Videoclips, und da habe ich auch bereits einige Ideen. Und nach wie vor: das weisse Blatt Papier.

Im bisherigen Werk herrscht die Oelmalerei vor, man sieht keine Pixels und keine Filmstills, also bisher eher traditionelles Handwerk?

Die neuen Medien haben mich schon bisher interessiert, und ich habe hin und wieder Digitalfotos als Bilduntergrund verwendet und in Collagen hineingebracht. Aber dies sind traditionelle Techniken. An Videoinstallationen, wie dies viele junge Künstler machen, bin ich noch nicht herangekommen. Ich möchte aber, wie bereits gesagt, Ideen in dieser Richtung verwirklichen, muss allerdings auch sagen, dass ich auch Angst davor habe, dass es dann zu technisiert wird.

Du warst nie an der Schule für Gestaltung oder einer anderen Kunstschule?

Nein. Einer meiner ersten Berufswünsche war, Grafiker zu werden, ich wurde aber davon in der Rezessionszeit in den 70er Jahren von meinen Eltern davon abgehalten. Durch meine eigene „Ohnmacht“ ging ich somit nicht diesen Weg, vielleicht zu meinem Glück, denn ich hatte nun die Chance, ins Gebiet der Kunst vorzudringen. Ich habe verschiedene Kurse belegt, hauptsächlich aber einfach „ausprobiert“. Ich war handwerklich tätig bei Renovationen, Streichen von Türen, Fensterrahmen, Wänden etc., und der mich beschäftigende Handwerker realisierte bald, dass ich einen guten Pinselstrich hatte; auch wenn das Flachmalerei war, sah man sofort, dass ich das Gefühl fürs Farbauftragen hatte. Ich bin auch noch Werklehrer, und das Handwerkliche ist mir wichtig.

Ganz anderes Thema: was bedeutet Dir – neben der Literatur – die Musik?

Ich bin absoluter Jazzfan. Ich spielte früher Altsaxophon, auch in einer Band, genannt „Moloch“, und Musik ist für mich ungemein wichtig. Orgelmusik ist für mich immer eine Faszination gewesen; mein Grossvater hat mich hin und wieder in die Kirche mitgenommen, einmal war er zu Besuch in Basel; er erhielt den Schlüssel fürs Münster, und ich durfte meinem Grossvater ganz allein zuhören: ein unvergessliches Erlebnis. Als Reiseleiter war ich manchmal in Warschau, beim Warschauer Herbst, einem Festival für zeitgenössische Musik. Abends konnte ich in der Philharmonie Konzerte hören, von Penderecki bis zu den Heutigen, und am nächsten Tag konnte man bereits die gepresste Schallplatte des Konzertes kaufen. Das Gefühl für Musik in Polen ist ein nachhaltiger Eindruck. Musik und Malerei ist eine der ganz grossen .....? meiner Entwicklung, .... das Ornette Coleman-Trio ...... Ich male auch sehr viel mit Musik, aber nicht synästhetisch, nicht nach „Farbklängen“ oder Kompositionsprinzipien, die sich im Bild wiederspiegeln sollen. Die Musik ist da ....das kann alles sein, auch Volksmusik,

Begegnung mit aussereuropäischer Kunst?

Aus persönlichen Gründen ist sie für mich bedeutungsvoll. Ich bin mit einer Frau aus Borneo/Indonesien verheiratet, und habe bei meinen Besuchen in Indonesien auch Kontakt mit der dortigen Kunst gesucht. In Bali z.B. steht die Kunst in einem ganz anderen Kontext. Kunst dort ist vergänglich, wird nicht konserviert, ist aber im Alltag überall sichtbar, sie gehört zum Leben. Ich habe auch Galerien und Ateliers besucht und festgestellt, dass heute eine Vermischung mit der westlichen Kunst stattfindet, sie wir immer „moderner“, sie wird verkauft, sie wird konservierbar. Viele Figuren der indonesischen Kunst haben mich erinnert an meine eigenen Figürchen, und es war faszinierend zu spüren, dass Kunst global ist. Urformen, archaische Figuren kommen überall vor, wie der Fisch, das Haus, das Segel, die Ueberfahrt. Auch im Handwerk habe ich das Gefühl, so weit auseinander ist das gar nicht; ich war auch in Russland, und wenn ich mich erinnere an Ausstellungen in New York oder San Francisco, kann ich sagen, es gibt für mich fast keine Trennung. Es gibt natürlich verschiedene Traditionen, aber was die meisten Künstler überall ausdrücken wollen, insbesondere in der figürlichen Kunst, ist eine Welt, es ist eine Menschenkunst.

Wo kommt die Inspiration her?das-klobuerstenhandtuch.jpg

Anhand eines Beispiels: eine meiner letzten Serien, „eine kleine Putzserie“, basiert auf einer Zeitungsnotiz. Beim Fensterputzen ist eine Frau abgestürzt, aber glücklicherweise unverletzt im Wasser gelandet. Ich dachte dazu: Putzen kann bis in den Tod führen. Man kann sich in den Tod hineinputzen. Dazu gibt es zwei Bilder, den Fensterwäscher und die Fensterwäscherin, sozusagen in der Tradition von Leonardo da Vinci, mit erhobenen Armen im Goldenen Schnitt stehend, und sie waschen ihre Fenster, und man weiss nicht, stürzen sie ab oder nicht. Daraus entwickeln sich dann Bilder mit Staubsauger oder Klobürste etc. Eine kleine Zeitungsnotiz kann als Anregung dienen; und die meisten Auslöser sind schriftlich, es sind keine Bilder, sondern Wörter. Sie lassen mir eine viel grössere Interpretationsmöglichkeit und inspirieren mich stärker. Sie bringen mich oft zu überraschenden Einfällen, die ich zu Papier bringe. Dann ist es abgeschlossen, und ich versuche nicht mehr weiter zu interpretieren.

Ich sehe eher Alltagsthemen in Deinen Bildern, weniger die grossen Themen der Kunstgeschichte?schoener-wohnen.jpg

Die Kreuzigung male ich nicht, aber das Kreuz interessiert mich schon, Kreuz, Blut und Lava. Aber weil es so gewaltig grosse Themen sind, suche ich etwas, das das unheimlich Tiefe, das Philosophische, das Raumergreifende wie Kreuz, Blut und Lava etwas relativiert. In Verbindung zu kommen??? ...jetzt bringen wir noch ein Schaukelpferd hinein, das hin und her schaukelt auf dem Kreuz, das Spielerische, das Unsichere, das Aus-der-Balance-Fallen, vielleicht auch Abstürzen, aber es kann ein kindliches, liebes, schöngeschnitztes Schaukelpferd sein. Ich will nicht Ertrinken in Blut, Kreuz und Lava, ich brauche das Verspielte, liebevolle, wie ein Schaukelpferd oder einen Blumenstrauss aus Tomaten und Zucchetti. Manchmal bin ich so schnell im Kopf, dass ich gar nicht weiss, warum ich das mache, aber dann ist es schon auf dem Bild, und ich und der Betrachter sehen es. Das entspricht so meinem Charakter, ich kann mich nicht so weit vertiefen in diese grossen Themen, ich brauche das andere als meine Balance, sonst würde es mich herunterziehen, vielleicht auch entblössen. Ich gehe nicht wie der Hans-Guck-In-Die-Luft an meine Bilder heran, ich suche die Gegenpole(?), und es freut mich, wenn der Betrachter spürt, dass sowohl Kraft Ernst Heiterkeit als auch Liebe in meinen Bildern ist.

14.6.2003